News Kirchstrasse

19.12.2020

Auf dem roten Teppich in Pension

Nach fast einem Vierteljahrhundert nimmt das Hauswartspaar Res und Iris Roth Abschied von seinem Schulhaus Kirchstrasse in Amriswil.


Anschliessend an die offizielle Verabschiedung im Schulhaus wartet bereits ein Citroën-Oldtimer auf Res und Iris Roth.

Bericht Thurgauer Zeitung online: 19.12.2020 / Manuel Nagel

«Mir schätzed eu sehr, dass ihr gönd fallt üs schwer» singt eine kleine Delegation der Unter- und Mittelstufenkinder, während Iris und Res Roth dem Lied lauschen, das eigens für sie geschrieben wurde. Wie König und Königin sitzt das Hauswartsehepaar bequem auf zwei roten Sitzsäcken in der mittleren Etage des Schulhauses Kirchstrasse.

Eigentlich hätten alle Kinder der Schule das Lied so voller Inbrunst singen sollen, wie es ihre Gspänli an diesem Donnerstagvormittag tun, doch Corona verhindert das. Trotz der Masken und des reduzierten Chors: «Wir wollen den Beiden einen würdigen Abschied bereiten», sagt eine der Lehrerinnen.

Auch Roths tragen Masken. Diese verbergen das Lachen auf ihren Gesichtern, als sie von den Kindern Geschenke entgegennehmen. Nicht verbergen mit dem Stofffetzen lassen sich hingegen die Tränen, die sich Iris Roth aus den Augen wischt. Und für die Lehrpersonen wird es ebenso emotional: «Ich habe es immer irgendwie verdrängt, dass sie nach den Weihnachtsferien nicht mehr da sind», sagt eine Lehrerin zu ihrer Kollegin.

Beim Fussball am Sporttag war «Herr Roth» der Star

Da – in ihrem Kirchstrassenschulhaus – waren sie fast ein Vierteljahrhundert. Seit 1998. Hunderte Kinder haben in dieser Zeit «Herr und Frau Roth» erlebt und sie ins Herz geschlossen, auch wenn sie hin und wieder streng sein mussten. Doch spätestens beim Sporttag, wenn Res Roth beim «Tschutten» vollen Einsatz gab, war er wieder der Star der Kinder. Meist war er im Lehrerteam der Goalie, und als es einst zum Penaltyschiessen gegen die Schüler kam, hielt Res Roth den Sieg fest und avancierte zum gefeierten Helden.

Aber weil er beim Sporttag eben nicht nur mitgespielt hat, weil Iris und Res Roth auch an solchen Anlässen immer tatkräftig mit anpackten, waren sie die Stars des ganzen Lehrerteams. «Maibummel, Sommerlager oder sonst was – haben wir Hilfe benötigt, sind Iris und Res für uns da gewesen», erzählt eine Lehrerin, die schon viele Jahre an der Kirchstrasse unterrichtet. Nicht zuletzt deswegen rollte das Lehrerteam Roths den roten Teppich bis zu einer Limousine aus, die sie nach kurzer Ausfahrt zu einem feinen Zmittag in ein Restaurant am See fuhr.

Zu Beginn mussten sie den Lehrern noch «Sie» sagen

Das war wichtig für Iris und Res Roth. Sie wollten nicht nur das Putzteam sein, sondern zum Schulhausteam dazugehören. Doch diese Rolle änderte sich erst im Laufe der Zeit. Als die beiden am 1. Januar 1998 ihre Stelle antraten, «da waren wir mit den Lehrern noch ‹per Sie›», erinnert sich Res Roth. Und ein halbes Jahr lang war auch noch Schule am Samstagvormittag.

Bis 2013 wohnten Roths im Schulhaus und waren die ersten 15 Jahre quasi rund um die Uhr Hauswart. Das bescherte ihnen einige unruhige Nächte, wenn sich nach Einbruch der Dunkelheit Jugendliche auf dem Schulhausplatz aufhielten. «Nachdem wir ausgezogen waren, konnten wir am Wochenende viel besser abschalten», sagt Iris Roth.

Aber die positiven Erinnerungen überwiegen. Zum Beispiel die Teilnahme beim «City Run» anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Schulhauses 2013, als die ganze Schule – ja sogar noch einige Eltern – mitliefen. «Wir waren insgesamt etwa 300 Leute», erzählt Res Roth.

Die Waldhütte im Kronberg auf Vordermann bringen

Laufen, das gehört auch zu den Hobbys von Iris und Res Roth, für das sie nun mehr Zeit haben, wobei Iris, die nächstes Jahr erst 60 wird, noch einen Tag die Woche im Schulhaus Oberaach putzen wird. «Damit schliesst sich für mich der Kreis, denn vor der Kirchstrasse war ich fünf Jahre in Oberaach», sagt sie. Res war damals noch Bodenleger und stieg quer in den Hauswartberuf ein. Zusammen arbeiten, das war jedoch nie ein Problem. «Jedes hatte seine Aufgaben», sagt Res, der sich um die Turnhalle und den Aussenbereich gekümmert hat. Und Iris ist die Chefin im Schulhausinnern gewesen, unterstützt von ihrem Mann.

Dieser hat im Kronberg noch 40 Aren Wald gekauft, den er nun intensiver pflegen möchte. «Es hat da auch eine Waldhütte, die wir auf Vordermann bringen wollen», sagt Iris Roth. Ihr Vater hatte diese einst erstellt. «Und seit einem Jahr sind wir Grosseltern und werden unseren Enkel Livio mehr geniessen können», fügt Iris Roth an. Langweilig dürfte es ihr und ihrem Res mit Sicherheit nicht werden.