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04.05.2016

Der Röstigraben füllt sich mit Reis

Die Sekundarschule Grenzstrasse führte letzte Woche einen Schüleraustausch mit einer Schule aus Domdidier durch. Für die meisten jungen Menschen war es der erste Aufenthalt in der Fremde, wo sie ganz auf sich alleine gestellt waren.


Am Mittagstisch von Familie Diem in Hefenhofen schöpft sich Austauschschülerin Méline Godel aus Domdidier Reis und Zucchetti.

Bericht und Bild: Tagblatt online, 4.5.2016 – Manuel Nagel

«Einige scheinen Gefallen aneinander gefunden zu haben», sagt Adrian Wenk mit einem Lächeln. Zusammen mit seinem Lehrerkollegen Felix Engeler beobachtet er die teils zaghaften und unbeholfenen Balzversuche einiger ihrer Schützlinge, die den Abschlussabend des Schüleraustausches mit einem Grillabend am Bodensee feiern.

Eine ganze Woche waren nun die rund 40 Teenager zusammen. Am Sonntag reiste zuerst die Hälfte der Achtklässler der Sekundarschule Grenzstrasse in den Kanton Freiburg nach Domdidier. Gleich an der Grenze zur Waadt und ein paar Kilometer vom Neuenburger- und Murtensee entfernt. Mit ziemlich genau 3000 Einwohnern ist die Gemeinde jedoch deutlich kleiner als Amriswil.

Heimweh nach zwei Tagen

Für die meisten war es das erste Mal, dass sie in der Fremde ganz auf sich alleine gestellt waren. Einige der Kinder hatten dann auch trotz der zeitlich kurzen Absenz von zu Hause mit Heimweh zu kämpfen.

Nicht so Martina Diem. Die 14-Jährige wurde von ihrer Gastfamilie sehr herzlich aufgenommen. Die Hefenhoferin zog am Sonntagabend bei der gleichaltrigen Méline Godel ein, und am Montag und Dienstag drückte sie dann die Schulbank der Sekundarschule in Domdidier.

«Die Schule war viel grösser als unsere», stellte Martina überrascht fest. Und noch andere Unterschiede fielen ihr auf: Die rund 450 Schüler würden die Lehrer nicht per Handschlag begrüssen, sondern müssten aufstehen, wenn die Lehrperson ins Zimmer kommt. «Auch wechseln nicht die Schüler das Zimmer, sondern die Lehrer», berichtet Martina Diem. Und zu guter Letzt ist da noch die Mensa, in der ein Grossteil der Schüler isst. Auch das gebe es in Amriswil nicht.

Velokeller als Kuriosum

Nach zwei intensiven Tagen in französischer Sprache ging es am Mittwoch bereits wieder auf Reisen. In Bern vor dem Bundeshaus traf sich die vierzigköpfige zweisprachige Gruppe mit der anderen Hälfte, die zuerst in der Ostschweiz war. Und am Abend schlief dann nicht mehr Martina in einem fremden Bett, sondern ihre Gastschwester Méline.

Die folgenden zwei Tage fuhren die beiden Mädchen vom Weiler Tohueb zur Grenzstrasse. Die vier Kilometer Distanz von Martinas Heim zur Schule legten sie mit dem Velo zurück. «Am Abend war Méline jeweils etwas erschöpft», verrät Martina. Die Schülerin aus Domdidier war es nicht gewohnt, Fahrrad zu fahren. Mit Erstaunen nahmen die Jugendlichen zur Kenntnis, dass die Sek Grenzstrasse über einen Velokeller verfügt und fast alle Schüler ein Velo besitzen.

«Wollen Kontrapunkt setzen»

Das Erfahren solch kultureller Unterschiede sei eines der Ziele, hält Adrian Wenk, Klassen- und Französischlehrer der E2b, fest.

«Und natürlich wollen wir auch einen Kontrapunkt setzen zur aktuellen Polemik, dass der Thurgau das Französisch ausboote.» Projekte wie dieses trügen mit dazu bei, die Wogen im Sprachenstreit wieder zu glätten.

Von diesem Zwist ist bei den Schülern nichts zu spüren. Einem Amriswiler Schüler fiel das Wort Huhn nicht gleich ein, so dass er auf das englische «Chicken» ausweicht. «Ah, poulet», meint sein Gast aus der Romandie, und weiter geht's. Man versteht sich auch so.

Nicht ganz so einfach war die Organisation des Austausches, wie Wenk erzählt. Im Vorfeld habe man sich mehrmals mit Madame La Directrice und den Deutschlehrern in Bern getroffen, um unter anderem zu koordinieren, wer bei wem wohnen werde. «Wir haben versucht, Jugendliche mit gleichen Hobbies zusammenzulegen.» Doch Domdidier hat mehr Jungs, Amriswil mehr Mädchen. «Wir sind froh, dass die Eltern auch in dieser Hinsicht flexibel waren und uns unterstützt haben», sagt Wenk.

Regelmässiger Austausch mit Domdidier

Schulleiter Hans-Ulrich Giger ist sichtlich stolz, dass die Sekundarschule Grenzstrasse bereits zum zweitenmal einen Austausch mit der Sekundarschule Domdidier, dem Cycle d'Orientation de la Broye, durchführt:

«Es ist unser Bestreben, dass nach dem Pilotprojekt im letzten Jahr dieser Austausch nun zum fixen Termin in unserem Schulkalender wird, dass künftig alle Schüler wissen, in der achten Klasse fahren wir nach Domdidier», wünscht sich Giger. Natürlich seien drei Tage in der

anderen Sprachregion etwas kurz, ist sich auch Giger bewusst, doch ein längerer Aufenthalt sei im Moment nicht geplant.

«Viele unserer Schülerinnen und Schüler sind auch noch in Vereinen aktiv und haben an den Wochenenden Wettkämpfe oder andere Verpflichtungen», weiss auch der Projektverantwortliche Adrian Wenk. «Einige Schüler und Eltern stehen deshalb einem längeren Aufenthalt in Domdidier durchaus auch kritisch gegenüber.»