News Sekundarschule Egelmoos

10.01.2018

Nur die wenigsten schaffen es

Ein Besuch bei der Talent School zeigt: Sie fordert viel von den potenziellen Nachwuchstalenten. Dabei entscheiden nicht nur Begabung und Leistung, ob es einmal mit der Volleyball-Karriere klappt.


Trainer Dritan Cuko (4. v. l.) leitet das Einwärmen der Volleyballschüler in der Tellenfeld-Sporthalle. (Tobias Bolli)

Bericht: Thurgauerzeitung online, 10.01.2018 / Tobias Bolli

Dehnübungen, Liegestützen, etwas Vor- und Zurücktrippeln. Man hätte sich aufregendere Szenen denken können. In einer fortgeschrittenen Aufwärmphase darf immerhin der «Fisch» gemacht werden: Ein Sprung mit ausgestreckten Armen, bei dem auf dem Bauch gelandet und über den Boden gerutscht werden soll. So tollkühn und lustig das anmutet: Volleyball spielen sieht anders aus.

Dritan Cuko, der Trainer der heute für das U-16 Team der Jungen und Mädchen zuständig ist, macht sich keine Illusionen: «Wissen Sie, die Kinder mögen das nicht.» Doch wer das Glück hat, von der Talent School ausgebildet zu werden, muss sich auch solche Übungen gefallen lassen. Lässt jemand das nötige Engagement vermissen, kriegt er das jedenfalls zeitnah von Cuko zu hören.

Der ehemalige Profivolleyballer ist ständig gefordert, passt hier einen Ball ab, verhindert da einen Zusammenstoss. Vor allem aber ruft er Kommandos ins Spielfeld und setzt dazu einen strengen Gesichtsausdruck auf. Dass ihm danach nicht selten ein Lächeln unterläuft, verrät seine Empathie für die Jugendlichen.

«Sie haben es streng. Oft sind sie nur noch zum Schlafen zu Hause.» Tatsächlich wird den Jugendlichen einiges abverlangt: Um sechs Uhr stehen sie auf, gehen in die Schule, haben Training, gehen in die Schule und trainieren später oft noch zusätzlich im Verein. Cuko weiss, dass ein solches Programm seinen Tribut fordert. Beobachtet er eine allzu grosse Müdigkeit, wird das Training angepasst.

Bisweilen kommt es vor, dass jemand, etwa aufgrund einer schlechten Note, abgelenkt oder misslaunig ist. Dann helfe ein Timeout an der Seitenlinie. «Wenn es mit der Konzentration nicht stimmt, geht gar nichts», ist Cuko überzeugt. Ein klarer Kopf mit klarem Fokus sei die Grundvoraussetzung für den Sport.

Der Zeitaufwand ist beträchtlich


Gefragt danach, was ihn zur Talent School geführt hat, sagt Ramon Diem: «Ich spielte schon vorher im Verein Amriswil. Einige Kollegen haben mich dann ermuntert, hier mitzumachen.» Die zusätzliche Zeit fürs Training – immerhin fünfeinhalb Stunden wöchentlich – wendet er gerne auf. «Es geht schon. Dafür müssen wir nur eine Lektion in den regulären Sport», sagt er und schmunzelt.

Auch Jonas Keller ist wegen Kollegen zur Talent School gestossen: «Ich merkte, dass sie immer besser wurden und ich nicht mehr mithalten konnte. Da war ich sozusagen unter Zugzwang.» Ein besonderes Highlight ist für ihn das Training mit Joshua Howatson. Der Nationalspieler gibt sich jeweils am Freitag die Ehre, und schlägt auch mal selbst einen Ball übers Netz.

Ob es die Jugendlichen Howatson einmal gleichtun können, hängt neben Talent und Leistungswillen nicht zuletzt von physischen Faktoren ab. So sollten sie – für den Smash und das effektive Blocken am Netz – eine Sprunghöhe von mindestens 330 Zentimetern erreichen. Die Konkurrenz ist hart. Trainer Cuko meint: «Wenn es drei oder vier von den zwanzig Jugendlichen schaffen, dann ist das schon ein Erfolg.»

Selektion und Info

Am 17. Januar führt die Talent School ein Selektionstraining durch. Bewertet werden Entwicklungspotenzial, Motivation und Gruppenverhalten. Es geht nicht primär um bereits vorhandene Fähigkeiten.
Anschliessend gibt es eine Infoveranstaltung.

Weiterführende Informationen: http://www.talentschoolamriswil.ch/

 

Nachgefragt

"Man muss zehn Jahre jeden Tag in der Halle stehen" 

Interview mit Tom Schnegg, Grüner der Volley Talent School

Tom Schnegg, wie würden Sie die Faszination Volleyball beschreiben?
Volleyball ist ein äusserst fairer und dynamischer Sport. Fair auch deshalb, weil die Spielfelder getrennt sind und somit das «klassische Foul» verunmöglicht wird. Dynamisch deshalb, weil es ein sehr schneller Ballsport ist, bei dem hart geschlagene Smashs Geschwindigkeiten um die 120 Kilometer pro Stunde erreichen. Zudem ist die Volleyball-Schweiz einfach eine ganz grosse Familie, in der man sich kennt und mit viel Respekt begegnet.

Was war Ihr Beweggrund für die Gründung der Volleyballschule?
Der damalige TV Amriswil war seit 1993 ununterbrochen in der NLA und investierte zunehmend mehr ins NLA-Team. Die ganze Nachwuchsabteilung ging ein wenig vergessen, und wir kamen an nationalen Titelkämpfen jahrelang nie mehr in die Kränze. So haben wir uns 2006 entscheiden, wieder vermehrt in den Nachwuchs zu investieren und gründeten die Talent School. Für mich die Erfüllung eines Traums, die mir als Spieler in den 90er-Jahren leider verwehrt blieb.

Welches sind die grössten Erfolgsgeschichten, die die Volleyballschule Amriswil bis jetzt verbuchen konnte? Inwiefern hält die Talent School, was sie verspricht?
Ich denke da an diverse nationale Nachwuchstitel, ich denke aber auch an einige grosse Volleyballer-Karrieren. So durften wir etwa Marco Krattiger (Beachvolleyballer auf der Worldtour), Julie Lengweiler (Profi bei Volero Zürich), Elena Steinemann (Profibeachvolleyballerin), Robin Baghdady und Robin Muntwyler (aktuelles Kader Volley Amriswil) und viele andere Sportlerinnen und Sportler über die ersten Volleyballjahre begleiten. Ich denke aber auch an viele Erfolgsgeschichten neben dem Volleyballfeld. Da war ein Schüler, der im Anschluss an die Talent School die Berufsschweizermeisterschaft in seinem Fach gewonnen hat. Ein anderer hat es trotz oder wegen des Volleyballs während seiner Zeit im Egelmoos vom «Problemkind» zum tollen Sportler und guten G-Schüler geschafft.

Wie wird reagiert, wenn die Schulleistungen eines Volleyballschülers oder einer Volleyballschülerin markant zurückgehen?
Mit unserem Koordinator, Dani Langenegger, haben wir ein versiertes Bindeglied zwischen Lehrern und Trainern. Sanktionierungen werden unkompliziert und differenziert angegangen. Die Erfahrung zeigt, dass das Streichen des Trainings in den meisten Fällen nicht die Lösung ist. Ablenkungen und Zeitfresser sind da meistens an anderen Stellen zu finden.

Kommt es im Gegenteil auch vor, dass sich das Training positiv auf die Schulleistung auswirkt?
Das ist sogar recht oft der Fall. Die Abgängerquote an der Kanti und Rückmeldungen aus dem schulischen Umfeld lassen die Behauptung zu, dass einige Schüler auch dank dem Sport besser in der Schule sind. Klar ist aber auch, dass gerade den erfolgreichsten Sportlern die Schule nicht immer so wichtig ist, wie das die Lehrer und Eltern allenfalls gerne sehen würden.

Welche neusten Entwicklungen gab es an der Talent School?
Wir versuchen stets, Gutes beizubehalten und am einen oder anderen Ort noch ein bisschen zu «schrüble». Die ganz grosse Innovation blieb allerdings in den vergangenen Jahren aus. Am Schluss ist es wohl wie in jedem Sport: Man muss einfach bereit sein, zehn Jahre lang jeden Tag in der Halle zu stehen und zu arbeiten. Denn Arbeit ist nebst einem gewissen Talent die Basis für allen Erfolg im Sport.