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04.02.2025

Zum Erzählsonntag, 2. Februar 2025

Hermann Hess berichtete über den Brand der Kleiderfabrik ESCO vor 60 Jahren und die damalige Situation der Textilindustrie.


Rolf Hess

Bevor die Erzählstunde begann wurde das langjährige Mitglied der Kommission Ortsmuseum, Walter Haas, verabschiedet. Das Team des Ortsmuseums dankt ihm für sein Engagement im Museum, seine Stadt- und Schlossführungen. Der Präsident überreichte «Hasli» einen Gutschein und seiner Frau einen Blumenstrauss. Der Besucheraufmarsch zum Vortrag von Hermann Hess war so gross, dass er seinen Vortrag gleich zweimal vor vollbesetztem Hause halten musste. In seinem persönlich gehaltenen Vortrag kam er auf die Brandnacht und den berühmten Nagel, der die Katastrophe auslöste, zu sprechen. Neben den beiden Produktionstrakten wurden auch zwei Wohnhäuser ein Raub der Flammen. Glücklicherweise kamen keine Personen zu schaden und die Bürogebäude mit allen wirtschaftlichen Dossiers blieben intakt. Sein Vater stand vor dem Entscheid, den Wiederaufbau anzupacken oder die Kleiderproduktion an den berühmten Nagel zu hängen. Dank der finanziell guten Lage und der ausreichenden Versicherung konnten alle Löhne weiterbezahlt werden. Die Auftragsbücher waren voll, der Absatz florierte und der Entscheid zum Wiederaufbau fiel rasch. Es entstand bis 1967 die modernste Kleiderfabrik in der Schweiz. Das Problem in jenen Jahren war weniger der Verkauf der Kleider, sondern der ausgetrocknete Arbeitsmarkt. Es gab schlicht zu wenige Mitarbeiter. Nach dem unerwarteten Tode seines Vaters 1970 übernahm seine Mutter die Führung der ESCO. Als 28-jähriger trat er 1979 in die Firma ein. Die existenzielle Herausforderung hatte bereits ab Mitte der 1970er Jahre begonnen, weil die fixierten Wechselkurse (Bretton Woods System) nicht mehr zu halten waren. In kurzer Zeit sank die D-Mark gegenüber dem Schweizer Franken von 1.20 auf 80 Rappen. Die Produktion wurde zu teuer, und Billiglohn-Länder übernahmen allmählich die Textilindustrie. Robert Sallmann handelte als erster und sehr konsequent. Eine neue Produktionslinie in Portugal bedeutete genügend Arbeitskräfte und konkurrenzfähige Produktionskosten. Nachdem etwa die Hälfte des Hess- Familienvermögens als Unterstützung in den Betrieb geflossen war, sah sich Hermann Hess 1991 gezwungen, die Kleiderproduktion aufzugeben. Der jahrelange, teure und letztlich vergebliche Versuch, die Rentabilität wiederherzustellen, hatte auch zu Spannungen zwischen den Familienaktionären geführt. Die anschliessende Fokussierung auf das Immobiliengeschäft ab 1994 verlief dagegen erfolgreich. Eine berufsbegleitende Ausbildung zum Immobilien-Ökonom in Wiesbaden zeigte ihm neue Wege auf, z. B. den Umbau der Fabrikationshallen in ein Einkaufszentrum (anfänglich „Shopping Kirchstrasse“, später dann „Amriville“). Eine ähnliche Revitalisierung brachte er mit der leerstehenden Raichle-Schuhfabrik in Kreuzlingen zustande. Mit diesen neuen Konzepten konnte die Entstehung von Industriebrachen abgewendet werden. Amriswil hat Hermann Hess viel zu verdanken.